2021 Balkantour

Kennt ihr den Pruth?

Pruth? Wer oder was ist der Pruth? So oder so ähnlich ergeht es vielen unserer Freunde und Bekannten, wenn wir erzählen, wohin wir reisen wollen. Dabei ist der Pruth mit 953 km Länge der zweitgrößte Nebenfluss der Donau!

Der Pruth bei Czernowitz

Aber wir selbst kannten ihn auch nicht, bis wir auf Arte eine Dokumentation über diesen bei uns so unbekannten Grenzfluss sahen. Das war vor ein paar Jahren. Damals wollten wir eigentlich mit unseren Fahrrädern von der Quelle bis zur Mündung radeln. Und weil das nicht geklappt hatte, wollen wir das jetzt endlich nachholen – mit unserem Kischdle.

Manchmal denken wir, auf einer Radreise kommt man mit Land und Leuten viel besser in Kontakt. Man erlebt und „erfährt“ eine Gegend viel intensiver und unmittelbarer mit dem Fahrrad als in der geschlossenen Fahrerkabine eines Autos. Allerdings waren wir jetzt häufig froh, dass wir bei heftigem Gewitter nicht im Zelt übernachten oder bei heftigem Autoverkehr nicht auch noch mit dem Fahrrad auf der Straße radeln müssen. Da haben wir es in unserem Camper doch wesentlich komfortabler!

Der Pruth entspringt beim höchsten Berg der Ukraine, dem 2.061 m hohen Howerla. Wir wollten möglichst zur Quelle des Pruth gelangen und dem Fluss von dort aus folgen, aber im Nachhinein wissen wir, das war eine Schnapsidee!

Im Howerla Nationalpark

Eine kleine Stichstraße, gespickt mit unzähligen tiefen Schlaglöchern bringt uns zum Eingang des Howerla Naturparks. Dort erfahren wir, dass wir gegen eine Gebühr von 1,50 Euro im Park weiterfahren können. Nach 8 km „bad road“ kämen wir zu einem Campground, wo wir auch übernachten dürften.

Um es kurz zu machen: wenn wir gewusst hätten, was auf uns zukommt, hätten wir auf die Fahrt zum Campground verzichtet. Obwohl uns schon Dutzende Autos, Sprinter und sogar Busse entgegen gekommen waren, herrscht am oberen Parkplatz noch immer Verkehrschaos! Da wird kreuz und quer geparkt, wo man sich irgendwie hinquetschen kann. Bei Gegenverkehr hat man liebe Mühe, irgendwo eine kleine Lücke zu finden – und das Ganze auf einer Piste, die einem ausgetrockneten Bachbett stark ähnelt. Natürlich mit teils heftiger Steigung… Und auf dem eigentlichen Parkplatz gibt es jede Menge Verkaufsbuden mit Unmengen von Krimskrams und entsprechendem Rummel. Wir haben das Gefühl, die ganze Ukraine sei heute auf Wanderung hier oben!

Abendstimmung am Pruth

Blauäugig dachten wir, es sei nur ein kurzer Spaziergang bis zur Pruthquelle. Mit diesem Chaos hier oben hatten wir überhaupt nicht gerechnet. Und weil Pit gestern umgeknickt war und sich vermutlich eine Bänderdehnung zugezogen hat, können wir keine Wanderung unternehmen. Wollen wir auch nicht, denn das käme einer Massenwanderung gleich… Zum Glück können wir hier oben sehr ruhig übernachten und beschließen, gleich morgen früh wieder hinunter zu fahren, am besten bevor die neue Schar von Tagesbesuchern hier wieder einfällt.

Der Pruth fließt nun zunächst nordwärts durch die Waldkarpaten. Hier ist die Ukraine eindeutig durch Tourismus geprägt, was jedoch sofort nachlässt, als der Fluss ostwärts abbiegt und in flachere Regionen kommt. Wir folgen dem Verlauf des Pruth und gelangen nach Czernowitz, der größten Stadt im Südwesten der Ukraine. Hier machen wir auch die Bekanntschaft des ukrainischen Gesundheitssystems, denn Pit will nun doch nach seinem Fuß schauen lassen. Wir sind überrascht von der Ausstattung und der Freundlichkeit des Teams in der orthopädischen Klinik. Zum Glück ist nichts gebrochen, das Band nicht gerissen, aber die Zerrung war heftig und Pit wird noch länger damit zu kämpfen haben. In einer Apotheke bekommen wir Medikamente und eine elastische Bandage und hoffen, damit in Ruhe weiter reisen zu können.

Inzwischen sind wir dem Pruth nach Süden weiter gefolgt und nach Moldawien eingereist. Was uns dort erwartete, davon erfahrt ihr dann im nächsten Beitrag.

Was können wir nun über die Ukraine sagen? Das Land hat uns überrascht. Im Vorfeld geäußerte Bedenken über die Sicherheit oder über die sehr schlechten Straßenverhältnisse haben sich für uns nicht bewahrheitet. Wir fühlten uns überall sehr sicher, wir hatten auch Straßen, die eher einem Schweizerkäse ähnelten, aber sehr oft auch guten Asphalt unter den Rädern. Und sogar von der befürchteten langen Wartezeit an der Grenze war nichts zu spüren, es gab keine Warteschlange am Grenzübergang. In den Supermärkten kann man wirklich alles kaufen, was das Herz begehrt, die Auswahl scheint größer zu sein als im benachbarten Rumänien.