Westbalkan zum Dritten – Bosnien-Herzegowina
„Wohin möchten Sie?“ fragt ein freundlicher Polizist. Wir sind wieder einmal auf einer „weißen“ Straße in Montenegro unterwegs, sie ist die kürzeste Verbindung nach Mostar in Bosnien-Herzegowina. Da meint der Polizist, der Grenzübergang sei hier für uns nicht möglich, der sei „only for locals“. Dabei wäre das Sträßchen so schön zu befahren gewesen, zwar relativ schmal, aber asphaltiert und mit sehr wenig Verkehr. Aber es hilft nichts, fahren wir die zehn Kilometer halt wieder zurück und nehmen die Route über Nikšić. Es gibt noch einen weiteren, kleineren Grenzübergang bei Bileća, den wählen wir.
Der Grenzübertritt ist wieder einmal sehr entspannt, die beiden Grenzbeamten von Montenegro und Bosnien-Herzegowina sitzen einträchtig im gleichen Kabuff. Bald sind die Papiere kontrolliert, die Reise kann weiter gehen. Bei einem LKW-Unfall muss sich unser Kischdle klein machen, damit wir vorbei passen – zum Glück gibt es keine Verletzten. Doch gleich hinter der nächsten Biegung wartet die Polizei. Wir dachten zunächst, sie würden sich auf den Weg zur Unfallstelle machen, aber es ist eine Verkehrskontrolle.
Wir befinden uns in der Republika Srpska, die im Staatsgebiet von Bosnien-Herzegowina liegt und ein eigenes politisches System mit unabhängiger Legislative, Exekutive und Judikative besitzt. Der englisch sprechende Polizist will nun unsere Papiere, will Verbandskasten und Warndreieck sehen – wir können natürlich alles vorweisen. Dann fällt ihm ein, wir müssten auch noch Ersatzglühbirnen für die Scheinwerfer mitführen. Haben wir aber nicht. Oha, dann müssen wir eine Strafe bezahlen. Ersatzglühbirnen seien wichtig! Ob wir Zeit hätten? Klar. Haben wir. Wir müssten 40 km zurück in die Stadt fahren, dort bezahlen, er behalte so lange unsere Papiere. Wie bitte? Nicht mit uns. Nach etwas Diskussion machen wir klar, dass wir nirgendwo hin fahren. Schon gar nicht ohne unsere Dokumente! Und dass wir viel Zeit haben.
Der Polizist überlegt. Fragt, ob wir ein Abschleppseil hätten? Na klar doch, sogar weiteres Bergematerial. Hm, überlegt nochmal, dann meint er, dass die fehlenden Glühbirnen ja doch nicht so gravierend wären, wir sollen weiter fahren. Tja, geht doch…
Stari most („Alte Brücke“) ist das namensgebende Wahrzeichen der Stadt Mostar in Bosnien-Herzegowina. Die Brücke überspannt die Neretva etwas oberhalb der Mündung der Radobolja und verbindet den mehr muslimisch geprägten Ostteil mit dem stärker katholisch geprägten Westteil der Stadt. Seit Jahrhunderten gilt sie als die symbolische Brücke zwischen Ost und West. 1993 wurde sie von kroatischen Truppen im Bosnienkrieg zerstört. 2004 wurde das Wahrzeichen Mostars mit internationaler Hilfe wieder vollständig aufgebaut.
Wegen dieser historischen Brücke sind wir nach Mostar gefahren und schlendern durch die Gassen der Altstadt. Wie gut, dass es Nachsaison ist – wir möchten uns gar nicht vorstellen, wie es hier in der Hauptsaison zugeht!
Wieder einmal versuchen wir, einer „weißen“ Straße zu folgen. Sie führt uns sehr steil in die Berge, die sich hinter Mostar erheben. Sobald wir die Stadt verlassen haben, gibt es kaum mehr Verkehr hier oben. Zunächst passieren wir hin und wieder ein kleines Dorf oder auch nur ein Gehöft, doch dann endet der Asphalt. Das Sträßchen wird zu einem Schotterweg, die Büsche kratzen am Kischdle. Laut Karte haben wir gerade einmal ein Drittel der „weißen“ Straße zurückgelegt. Umdrehen? Das Navi meint, es gäbe Wege durch die Berge, um wieder auf eine größere Straße zu kommen…
Wir müssen nicht erwähnen, dass diese Wege ebenfalls geschottert, mit groben Steinen versehen und teilweise eng und steil sind? Wir übernachten zunächst einmal, bevor wir am nächsten Morgen nach gut zwei Stunden den Ausweg aus den Bergen gefunden und wieder Asphalt unter den Rädern haben.
Zunächst bleiben wir nun auf guten Asphaltstraßen. Die Route führt entlang der Dinaraberge, die die Grenze zu Kroatien bilden. Auf den Berggipfeln sehen wir ersten Schnee, es ist auch recht frisch, aber wenigstens trocken. Immer wieder kommen wir an Ruinen von Wohnhäusern vorbei, sicher Relikte aus den jüngsten Kriegsjahren. Die Natur ist dabei, sich ihren Lebensraum wieder zurück zu holen. Es sind bedrückende Bilder.
Ganz anders, als wir wieder einmal einer „weißen“ Route folgen. Dieses Mal wollen wir kurz vor dem nächsten Grenzübertritt durch den Una-Nationalpark fahren, seit 2008 der erste Nationalpark der Föderation Bosnien-Herzegowinas. Wir sind die einzigen Touristen, die jetzt am Morgen durch Martin Brod schlendern, dem kleinen Ort an der Una. Eine Besonderheit sind die vielen kleinen Wasserfälle, die der Fluss rings um das Dorf bildet. Man setzt Hoffnung in den Tourismus, das ist deutlich zu sehen. Bleibt zu wünschen, dass im Sommer hier mehr los ist, denn das glasklare Wasser der Una und die Natur ringsum lohnen einen Aufenthalt.
Wir jedoch fahren weiter, für uns geht es nach Hause.