The Final Countdown
„AdBlue Systemfehler. Service notwendig. Kein Motorstart in 800 km.“ Mit einem lauten Warnton ploppt diese Meldung auf dem Display auf. Was ist denn jetzt plötzlich los, fragen wir uns. Wir haben doch regelmäßig AdBlue nachgefüllt!
Plötzlich haben wir nur noch ein halbes Auge für die wunderbare Landschaft der Olympic Halbinsel, durch die wir gerade fahren. Seit gestern sind wir nämlich in den USA unterwegs. In Victoria wurden noch vor der Fährfahrt die Grenzformalitäten für die Einreise von amerikanischen Officern erledigt. Dabei hatten wir mit drei verschiedenen von ihnen zu tun.
Die freundliche Frau meinte, sie denke schon, dass wir neue 90 Tage bekommen könnten. Der nächste Officer maulte uns mürrisch an, wie lange wir in den USA bleiben wollen und rief nur noch genervt „how long?“, als ich gesagt hatte „as long as possible“. Der dritte Officer hingegen war der humorvolle. Er machte ein analoges ESTA mit uns – und wir dürfen nun bis November durch die Staaten reisen!
Und nun also diese Fehlermeldung, die immer wieder auftaucht. Forks ist ein kleines Nest, hier gibt es keine Autowerkstatt, aber wenigstens AdBlue können wir nachfüllen. Doch die 10 Liter des Kanisters passen nicht in den Tank, der war offensichtlich nahezu voll. Die Hoffnung, dass nun die Fehlermeldung erledigt wäre, erlischt schnell. Denn als wir starten, meldet das System die bekannte Fehlermeldung, jetzt jedoch mit einer Reichweite von nur noch 161 Meilen (wir hatten die Anzeige inzwischen auf Meilen umgestellt).
Der Countdown läuft…
Deshalb drehen wir um, denn in Port Angeles – dort liegt die Restweite inzwischen bei 120 Meilen – gibt es einen Fordhändler. Die Mitarbeiter sind freundlich und bemüht, können uns jedoch nicht helfen, außer mit dem Diagnosegerät die Fehler auslesen und ein paar Meldungen löschen. Doch wir werden nicht liegenbleiben, versichert uns der freundliche Mann. Erleichtert, aber dennoch ein wenig skeptisch fahren wir weiter. Morgen wollen wir in den Olympic Nationalpark.
Nach einer ruhigen Nacht mit zwei hübschen Deers (Rehe) machen wir uns auf in den Park.
Die Fehlermeldung ist bislang tatsächlich nicht mehr aufgetaucht, das Motorsteuersymbol ist erloschen. Die AdBlue-Anzeige bleibt jedoch aktiv. Wir wollen auf der aussichtsreichen Hurricane Road eine Tour machen. Doch der Ausflug wird kurz, denn bald erscheint die bekannte Meldung, die Restweite liegt nun bei 92 Meilen! Wir trauen der Sache nicht und kehren um. Bei Ford in Port Angeles haben wir noch ca. 80 Meilen…
Der Countdown läuft…
Doch der hilfsbereite Mitarbeiter kann uns keine Hoffnung auf Abhilfe geben, drei seiner Leute fehlen. Aber in Tacoma kann man uns sicher helfen, der dortige Ford Dealer sei größer und sehr kompetent. Aber ob wir überhaupt bis dorthin kommen können? „You will survive!“ meint er trocken.
Unser Problem: Tacoma ist weit mehr als 80 Meilen entfernt, das wird lustig werden… Und der Countdown läuft…
Tatsächlich meldet das System ungefähr 30 km vor Tacoma, dass jetzt kein weiterer Motorstart mehr möglich sei. Mit höchster Konzentration fahren wir weiter und hoffen, nicht in irgendeine Kontrolle zu kommen. Die Start/Stoppautomatik haben wir natürlich auch gleich deaktiviert, der Motor darf keinesfalls versehentlich abgeschaltet werden, sonst bleiben wir liegen! Und so gelangen wir tatsächlich bis auf den Hof von Ford Tacoma, wo zum Glück ein Parkplatz frei ist. Denn der Motor lässt sich jetzt wirklich nicht mehr starten! Nichts geht mehr…
Und dann die ernüchternde Aussage der jungen Frau an der Empfangstheke, dass vor Mitte nächster Woche auf keinen Fall jemand unser Auto auch nur anschauen könne. Reparaturtermine hätte sie sowieso erst im September wieder. Na prima! Wir lassen uns zum Manager bringen, der bestätigt uns, dass er einfach gerade niemanden habe, der sich mit Diesel auskennt. Er versuche, Anfang kommender Woche das Auto anschauen zu können. Nur das Diagnosegerät setzt er gleich mal selber an.
Wir überlegen hin und her, diskutieren und kommen zum Ergebnis, dass wir am nächsten Morgen am Flughafen einen Mietwagen für ein paar Tage nehmen werden (in der Stadt gibt es kein einziges Mietfahrzeug!) und die Gegend um die Stadt zu erkunden. Es dauert sicher bis Mittwoch, bevor wir mehr wissen. Es könnte durchaus sein, dass wir Ersatzteile aus Europa brauchen.
Am Freitagvormittag, wir haben sehr schlecht auf dem Firmenparkplatz direkt neben der viel befahrenen 8-spurigen Autobahn übernachtet, packen wir ein paar Klamotten in unsere Reisetaschen und lassen uns von einem Uber-Fahrer zum Flughafen fahren. Knapp drei Stunden später sind wir dann wieder zurück bei Ford und sehen auf den ersten Blick, dass unser Kischdle nicht mehr auf dem Parkplatz sondern auf der Quicklane steht!
Wie haben die das Auto denn dorthin bekommen? Ungläubig gehe ich zum Camper, der Manager sieht mich und hebt beide Daumen hoch. Dann eilt er heraus und berichtet freudestrahlend, unser Auto sei fertig! Was??? Kann das wahr sein? Ja, meint er, es sei nur ein Software Update nötig gewesen. Ein Techniker hatte bei Ford Europa recherchiert und ist darauf gestoßen. Und es war die Lösung!
Überglücklich und dankbar verlassen wir kurze Zeit später den Hof, nun müssen wir noch einmal raus zum Flughafen und das Mietauto wieder abgeben. Nun muss ich (Mary) unser Kischdle alleine über die stark befahrene vielspurige Autobahn lenken. Ich folge Pit, der mit dem kleinen Kia voraus fährt. Jetzt erweisen sich unsere beiden „Handquetschen“, kleine Funkgeräte, als äußerst hilfreich, denn wir können damit prima kommunizieren.
Nach diesen anstrengenden Stunden brauchen wir nun erst mal ein paar Tage Ruhe. Ohne Stress wollen wir um den Mount Rainier nur wenig fahren und viel relaxen. Das haben wir uns verdient, oder?
Und dann gilt es ja auch noch, den Inverter von der Post in Tacoma zu holen, hoffentlich fehlerfrei einbauen und in Betrieb zu nehmen…. Ach wie schön wäre es, jetzt in D Urlaub machen zu können ;-))
3 Kommentare
Jens Eichenberg
Wow, was für eine aufregende Odyssee❗Natürlich toll, dass es am Ende doch noch einen findigen Techniker gab, der den Schlamassel beenden konnte. 👍🏻 Wir haben jedoch von diversen Leuten gehört, dass man das Adblue-System (in vielen Ländern natürlich illegalerweise) abschalten könne.🤔 In Südamerika würden wir dies in jedem Fall machen lassen. Grüße und gute Reise weiterhin ❗🙋🏼♂️
admin
Vielen Dank für den Kommentar, das freut uns sehr. Die AdBlue-Abschaltung ist bei den modernen Fahrzeugen leider nicht mehr so einfach möglich. Im Prinzip ist es ja auch sinnvoll, dass die Abschaltung der Abgasreinigung nicht so leicht machbar ist. Bei unserem Modell gibt es leider noch keinen Anbieter, der uns so ein System anbieten könnte.
Mal sehen wie es weitergeht, denn der Fehler ist noch nicht endgültig behoben…
Jens Eichenberg
Ja, natürlich hoffen wir auch, dass die Abgasreinigung tatsächlich etwas bewirkt. Wir haben ein 2019er Modell (1. Zulassung), hergestellt 2018. Und da wir uns auch allmählich auf Reisen vorbereiten, bei denen die Verfügbarkeit von AdBlue eher einer Lotterie gleichkommt, hatten wir uns mal wegen einer Abschaltmöglichkeit (Software) umgehört. Ob das technisch gesehen auf längere Sicht auch sinnvoll ist, konnte mir allerdings noch niemand sagen…
Wie gesagt – tolle Reise und besonders tolle Dokumentation! Es mach uns viel Freude, bei euch mitlesen zu können! Alles Gute!