2025 Afrika

Our Namibian Rescue Team

Der ist nicht mehr zu gebrauchen

Heiße Luft flimmert über dem Asphalt und spiegelt sich am Horizont, man könnte meinen, dort sähe man das Meer. Aber es sind noch 60 km auf der schnurgeraden Straße bis zum Atlantik und der kleinen Stadt Henties Bay. Genauso weit ist es in die andere Richtung nach Uis, von wo wir gekommen sind.

Nun stehen wir hier mitten in der Wüste, die Sonne brennt erbarmungslos vom wolkenlosen Himmel. Wenigstens weht ein kräftiger Wind, so dass sich die Hitze nicht ganz so schlimm anfühlt. Allerdings stecken wir in einem Dilemma, denn unser linker Hinterreifen ist platt. Das wäre normalerweise nicht sonderlich tragisch, aber nur wenige Kilometer vorher hatten wir schon einen völlig zerfetzten rechten Hinterreifen, so dass wir nun kein intaktes Reserverad mehr besitzen.

Ohne große Worte hilft der Mann

Wir fuhren da auf der Piste, die an der gigantischen Baustelle für die neue Straße entlang führt, als das Hinterrad plötzlich verdächtig rumpelte. Gerade als wir mit dem Reifenwechsel beginnen wollten, hielt ein Namibier an und sein dunkelhäutiger Begleiter griff nach unserem Werkzeug und legte sich wie selbstverständlich unter unseren Camper, um das Ersatzrad herabzukurbeln. Auch beim Radwechsel übernahm er wortlos die meiste Arbeit. So konnten wir nach kurzer Zeit unsere Fahrt wieder fortsetzen.

Bis hierher, mitten im Nirgendwo der heißen Namibwüste. Welche Möglichkeiten haben wir jetzt? Ohne Netzempfang und ohne Ersatzrad? Vielleicht könnte Pit mit jemandem bis nach Henties Bayn mitfahren und irgendwie einen Reifen oder einen Abschleppdienst organisieren?

Das Ersatzrad hängt unter der Kabine

Da hält ein Pickup, dessen Fahrer zwar Verständnis für unser Anliegen hat, der jedoch in diesem Firmenwagen niemanden mitnehmen darf. „Es kommt sicher bald ein anderes Fahrzeug, das euch hilft,“ meinte er. Doch es ist wie verhext, kein Auto weit und breit ist unterwegs. So vergehen zwanzig unendlich lange Minuten, bis ein alter LKW kommt und auch tatsächlich bei uns anhält.

Drei dunkelhäutige Bauarbeiter steigen aus und hören sich unser Problem an. Nein, sie fahren nicht nach Henties Bay, sie wollen nur zu ihrem nächstgelegenen Depot, um irgendein Material zu holen. Nun überlegen wir zu fünft, ob es eine Lösung für uns gibt, als wieder ein Auto anhält. Der Fahrer ist wohl ein Kollege. Nun beratschlagen die Vier untereinander, was man tun könne.

Wir haben zwar nicht genau verstanden, was der zuletzt Angekommene meint, schauen aber zu, wie unser Ersatzrad im Pickup verschwindet. Er wolle im einige Kilometer zurückliegenden Headquarter etwas machen lassen, hatte der Fahrer noch gerufen und verschwindet in Richtung Uis…

Nein, der hat nicht geholfen!

Zusammen mit unseren drei Ersthelfern warten wir nun in der Hitze, wir suchen ein wenig Schutz im spärlichen Schatten unseres Campers, während sie in der Sonne stehen. „Das macht uns nichts aus, wir haben uns an dieses Klima adaptiert“, meinen sie. Zum Glück bietet unser Camper kühle Getränke und Material für Sandwiches. Und weil wir uns mit ihnen über alles mögliche unterhalten können, ist die Wartezeit nicht ganz so schlimm.

Nach eineinhalb Stunden kommt der Fahrer mit seinem Pickup wieder zurück. Er hat unsere Felge dabei, auf ihr ist ein abgefahrener, alter Reifen montiert. In Rekordzeit haben die Jungs von der Baustelle den Ersatz montiert – nun könnten wir eigentlich weiterfahren. Wenn da nicht der linke Vorderreifen wäre, der still und heimlich während der Wartezeit ebenfalls platt wurde! Drei Platten innerhalb weniger Kilometer, das ist ja schon fast rekordverdächtig!

Das einzig Gute daran ist, dass es dieses Mal ein „Schleicher“ ist, d.h. der Reifen verliert nur ganz wenig Luft. Wenn wir mit unserem Kompressor alle paar Minuten aufpumpen, sollten wir es bis nach Henties Bay schaffen. Dort gibt es zwar keinen Reifenhändler, aber an der Tankstelle kann man das Loch provisorisch flicken.

Laidlaw Peringanda

Und so gelangen wir tatsächlich bis nach Swakopmund, wo wir am nächsten Tag neue Reifen montieren lassen können. Wir sind überwältigt von so viel Hilfsbereitschaft und wollen hier noch einmal unseren Dank dafür zum Ausdruck bringen: Thank you so much! We’re happy to met you!

Bevor wir Swakopmund verlassen, werden wir noch sehr nachdenklich. Wir haben in Namibia so viel Hilfe erfahren und so viele freundliche Menschen getroffen – und das bei den Verbrechen, die unsere deutschen Vorfahren in diesem tollen Land begangen haben. Dies erleben wir auch in dem kleinen, privaten Genozid-Museum in Swakopmund. Dort, fast am Stadtrand gelegen, betreibt Laidlaw Peringanda eine Erinnerungsstätte für seine Herero-Ahnen, von denen einige in den ersten Konzentrationslagern der Deutschen auf grausame Weise gequält und getötet wurden.

Laidlaw Peringanda finanziert das kleine Museum aus Spenden und ist deshalb über jeden Besuch sehr dankbar. Facebook: swakopmund genocidemuseum

4 Kommentare

  • Micha & Christoph

    Hallo Ihr beiden, eure Reise ist ja ganz schön aufregend, da hattet Ihr Glück, dass Euch Euer „Namibian Rescue Team“ so lieb geholfen und Euch „gerettet“ hat.
    Wir freuen uns immer an eurem Blog und an den schönen Photos und wir wünschen Euch weiter eine gute Reise.
    Herzliche Grüße aus der Heimat,
    Eure Micha und Christoph

    • Pitti

      Hi ihr beiden lieben Kommentatoren, habt vielen Dank für eure netten und aufmunternden Zeilen aus der Heimat!
      Wir wissen wirklich nicht, wie wir die Situation ohne diese hilfsbereiten einheimischen Schutzengel angesichts der sehr abgelegenen Örtlichkeit, der großen Hitze und auch noch fehlendem Internet innerhalb erträglicher Zeitspannen ansonsten hätten lösen können.
      Andere guides die viel im Lande unterwegs sind sowie der Reifenhändler haben uns bestätigt, dass dieser „Straßen“abschnitt zu den reifenkillendsten überhaupt gehört. 🙁

  • Tom

    Hallo ihr Abenteurer,
    immer wieder lese ich neugierig Eure neuesten Abenteuer und möchte hier meinen Respekt ausdrücken für Euch.
    Alle Achtung vor Eurem Mut in unserem Alter so viel Tatendrang zu leben und weiterhin viel Fortune.
    Herlichst Tom aus der Biene.

    • admin

      Hallo Tom,
      vielen Dank für den schönen Kommentar. Auch wir verfolgen gerne eure Reisen, denn euer Konzept mit den Fahrrädern gefällt uns sehr gut. Das werden wir für unsere zukünftigen Touren in Europa sicher auch so ähnlich übernehmen. 😀
      Auch euch weiterhin spannende Erlebnisse mit der Biene. 👍
      Viele Grüße von Mary und Pit

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