Das Ende
Leise schlagen sanfte Wellen ans Ufer. Ein paar Boote schaukeln am Pier, Stille liegt über der Szenerie. Außer uns ist niemand mehr hier, selbst die Beamten der Grenzkontrollen haben sich in ihr Refugium hinter dem kleinen Hafen zurück gezogen. Heute läuft hier kein Schiff mehr aus, es kommt auch keines mehr an. Unser Kischdle steht an der Anlegestelle am Lago O’Higgins – direkt beim Schild, das das Ende der Carretera Austral markiert. Oder auch den Anfang, falls man per Boot vom argentinischen Ufer hier landet.
Selbstverständlich haben auch wir das obligatorische Foto vor diesem Schild geschossen. 1.274 km sind es von Puerto Montt im Norden, dem Beginn dieser berühmten Straße, bis hierher. Oder aber, von der Rückseite aus gesehen, steht man am Kilometer Null. Für uns bedeutet es, dass wir endlich das Ende der Route erreicht haben, die wir eigentlich schon vor sieben Jahren mit den Fahrrädern erreichen wollten. Damals hat es aus verschiedenen Gründen nicht geklappt, bis „ganz nach hinten“ zu fahren, wir haben die Route kurz vorher beim Fährhafen in Tortel beendet. Deshalb sind wir froh, nun doch hier zu stehen. Am Ende. Am Ende dieser so einzigartigen Radreiseroute.
Aber wir sind uns nicht so sicher, ob das Prädikat „einzigartig“ noch immer auf die Carretera Austral zutrifft. Bislang sind wir erstaunt, wieviel mehr Autoverkehr hier zwischenzeitlich herrscht – und dabei sind wir bislang nur die vergleichsweise kurze Strecke von Cochrane bis ans Ende nach Villa O’Higgins gefahren. Haben wir vor sieben Jahren nur ab und zu mal ein motorisiertes Fahrzeug gesehen, so müssen wir nun ständig nach Ausweichgelegenheiten schauen, denn die Schotterpiste ist nicht mit dem Verkehrsaufkommen mitgewachsen.
Die armen Radler, die noch immer in relativ großer Zahl die Strapazen dieser Radreise auf sich nehmen tun uns leid. Sie müssen bei gutem Wetter nicht nur mit dem schlechten Straßenzustand sondern auch mit dem ganzen Staub, den die Fahrzeuge aufwirbeln, klarkommen. Und wenn es regnet oder sie Gegenwind haben, ist es auch nicht gerade lustiger. Die meisten fahren deshalb mit einem Tuch über Mund und Nase, um sich ein wenig zu schützen. Wir sind wirklich froh, dass es für uns damals zwar technisch nicht einfacher, aber bei einer Handvoll Motorfahrzeuge am Tag doch deutlich entspannter zu radeln war.
Vor uns liegt nun eine Reise in die Erinnerungen. Wir wollen nun die Carretera Austral vom Ende bis zum Anfang nach Puerto Montt mit dem Kischdle fahren und dabei auch ein paar interessante Abstecher machen, die wir damals mit den Fahrrädern nicht auf uns nehmen wollten. Ob wir uns an die Erlebnisse von der Radreise erinnern können? Oder hat sich vieles in den sieben Jahren verändert?
Caleta Tortel, das kleine Städtchen mit dem Fährhafen für die Fahrt nach Puerto Natales sieht beispielsweise auf den ersten Blick auf jeden Fall genauso aus wie bei unserer Radreise, als wir die schwer bepackten Fahrräder über die endlos erscheinenden Holztreppen vom hoch gelegenen Parkplatz bis auf Meereshöhe hinab gewuchtet hatten. Lediglich die Anzahl der Besucher ist heute deutlich größer. Der kleine Parkplatz am Ortseingang ist voll, überall sieht man Touristen auf den Stegen, denn der Charme von Tortel liegt an seiner Bauweise: die kleinen Holzhäuser sind auf Pfählen gebaut und statt Straßen verbinden Holzstege und -treppen die Gebäude untereinander. Wir verzichten heute darauf, bis ganz hinunter zu steigen, denn es sind sehr viele Stufen, die wir danach wieder herauf steigen müssten…
Zum Schluss wollen wir noch ein wenig die Werbetrommel rühren. Nein, wir machen das ohne Gegenleistung und nur weil wir möchten, dass er etwas bekannter wird: der kleine Campingplatz Lago Brown. Nur durch Zufall wurden wir auf diesen wunderschön gelegenen und liebevoll gepflegten Platz aufmerksam und verbrachten zwei richtig angenehme Tage dort. Alekcy, der Eigentümer des Campgrounds, baut den Platz kontinuierlich weiter aus. Momentan gibt es ein Holzhaus mit den Sanitärräumen. Morgens und abends heizt Alekcy zuverlässig den Ofen dort an, deshalb ist es in den Duschen mollig warm und auch das Wasser fließt heiß aus den Leitungen.
Für schlechtes oder kaltes Wetter steht eine Halle zur Verfügung, in der nicht nur Alekcys Werkstatt sondern auch ein „Refugio“ für die Gäste mit Sitzgelegenheiten, Kochstellen und ein Tisch Platz gefunden haben. Als Extras kann man kostenlos mit Kajaks auf dem See paddeln und kleine oder größere Wanderungen können hier gestartet werden. Außerdem kann bei gutem Wetter die große Waschmaschine des Hausherrn gegen eine kleine Gebühr genutzt werden (Solarstrom muss für den Betrieb vorhanden sein).
Also, falls ihr mal in die Gegend von Cochrane kommen solltet, besucht Alekcy gerne, es lohnt sich!