2023 Südamerika

Tour der Erinnerungen

Am Fjord in Puyuhuapi

„De dónde son? De qué país?“ fragt uns der ältere Herr, als er uns am Strand von Puyuhuapi entdeckt. Als ich dann „Somos de Alemania“ antworte, strahlt er über das ganze Gesicht und ruft: „Deutschland! Wie schön!“. Und schon sind wir in ein anregendes Gespräch vertieft, denn er spricht nicht nur hervorragend Deutsch, er ist auch sehr gebildet. Wir besprechen die weltweite politische Lage ebenso wie die Situation hier in Chile oder in Deutschland. Und das, obwohl der Mann noch nie dort war. Die Sprache kann er nur deshalb so gut, weil er täglich eine Stunde lang den Spiegel oder die Bild liest! Okay, das zweite Blatt ist jetzt nicht gerade der Brüller, aber um die Sprache zu lernen sicher in Ordnung.

Auch heute radeln noch viele Reisende auf dieser Route

Hier in Puyuhuapi haben wir ungefähr die Mitte der Carretera Austral erreicht. Schon vor unserer Reise war es für uns klar, dass wir wieder hierher zurückkommen würden, obwohl wir diese legendäre Route bereits intensiv bereist hatten, nämlich mit dem Fahrrad. Das war vor sieben Jahren. Damals radelten wir von Santiago de Chile aus bis nach Tortel, fast am Ende der Carretera. Jetzt waren wir gespannt, ob und wie sich dieser Traum der Radfahrer verändert hätte.

So sah es vor sieben Jahren aus, heute ist fast alles asphaltiert

Bereits der erste Eindruck, als wir zum Endpunkt nach Villa O’Higgins fuhren, bemerkten wir die augenscheinlichste Veränderung: den Autoverkehr. Der hat sich vervielfacht, seit wir damals die Strecke geradelt waren. Heute tun uns die nach wie vor auf der Strecke reisenden Radler leid, denn vor allem auf den noch nicht asphaltierten Abschnitten müssen sie fast ständig in einer Staubwolke radeln. Zumindest wenn es nicht gerade regnet.

Den Abstecher hierher wollten wir damals mit den Fahrrädern nicht auf uns nehmen

Noch immer betrachten wir die Carretera aus der Sicht eines Radfahrers und nicht selten staunen wir, was wir damals so alles auf uns genommen hatten. Da sind die vielen Anstiege, die den Radler fordern. Oder die Pässe, die damals noch geschottert und mit Baustellen gespickt waren. Die konnten wir damals nur schiebend erklimmen. Heute sind die meisten Abschnitte der ersten zwei Drittel asphaltiert und es gibt deutlich mehr Unterkünfte und Einkaufsmöglichkeiten entlang der Carretera Austral, so dass eine Radreise hier nicht mehr ganz so abenteuerlich erscheint. Aber unseren Respekt haben auch die heutigen Reiseradler definitiv!

Diesen Gaucho sahen wir auch an Weihnachten vor sieben Jahren

Dagegen haben wir mit dem Kischdle nicht nur mehr Komfort, sondern auch den Vorteil, kurz mal eben einen Abstecher fahren zu können. Dies wollten wir damals mit den Fahrrädern nicht auf uns nehmen. So entdecken wir also auch auf der Tour der Erinnerungen immer wieder Neues, Unbekanntes. Doch ganz besonders freuen wir uns, wenn wir Orte und Plätze entdecken, die uns noch von der Radreise her bekannt sind. Manche erkennen wir kaum wieder, aber zum Glück haben sich wenigstens nicht alle so sehr verändert. Wir werden die Carretera Austral wohl weiterhin aus Radlersicht in Erinnerung behalten.

 

 

4 Kommentare

  • Liliane und Andy

    Die Radfahrer haben auch meinen grössten Respekt. Was die leisten, mit allem Gepäck, wir sehen so viele die Schweizer Pässe hoch krakseln, umso strenger, wenn die Tour mehrere Tage, gar Wochen lang geht. Ja, und all der Verkehr, welcher mal rücksichtsvoller, mal weniger, vorbei braust.
    Sieben Jahre ist ja eigentlich noch gar nicht lange her, wie schnell sich alles verändert und „entwickelt“, da gibts wohl bald keine „versteckte“ „unerforschte“ „unbefahrene“ Orte mehr.
    Danke für euren Bericht und die tollen Fotos

    • admin

      Da habt ihr recht. Viele Orte und Gegenden, die einmal ein Geheimtipp waren, sind es längst nicht mehr. Oft haben sie sich stark verändert und ihren ursprünglichen Charme verloren.
      Aber andererseits leben viele Menschen in solchen Regionen vom Tourismus – ein Teufelskreis. Wir wissen, dass wir mit unserer Art des Reisens absolut privilegiert sind und hoffen, damit wenigstens ein wenig die örtliche Wirtschaft unterstützen zu können. Und sei es nur die nette Frau in ihrem kleinen Häuschen, die in ihrer „Lavanderia“ unsere Wäsche wäscht oder die jungen Leute, die in ihrem kleinen Café mit viel Engagement selbst gebackenen Kuchen verkaufen.

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